Pakistan 2

14.04.2014 bis 12.05.2014

Thailand war echt schön, Indien hat uns nach ein paar Stunden schon wieder gereicht!
Mit dem Taxi wagen wir die Fahrt nach Lahore mit seinen sieben bis neun Millionen Einwohnern. Die Freude ist riesig als wir unseren Unimog unversehrt in der Wiese stehen sehen. Es ist toll nach Hause zu kommen, wieder unser bequemes Bett und die eigene Küche! Stefan lässt ihn an, alles funktioniert! Von unserer Gastfamilie werden wir gleich herzlich begrüßt und zum Abendessen eingeladen.
Wir freuen uns schon auf´s weiter Fahren, endlich wieder unterwegs zu sein.
Am nächsten Tag verlassen wir schweren Herzens unsere liebgewonnenen Gastgeber und brechen nach Islamabad auf.

Hier treffen wir uns mit Armin und seinem Landcruiser. Zusammen wollen wir China durchqueren.
Wir beantragen die Visa für China, was problemlos klappt. Das N.O.C. macht uns da schon mehr Probleme. Stefan bekommt an diesem Tag einen Anruf von einem Bekannten von DeeDee (der uns auch mit der Beantragung des nötigen NOC´s geholfen hat), dass wir uns mit einem wichtigen Herren im Innenministerium treffen könnten. Dieser erwarte uns um 12 Uhr
Also hin zum „Ministry of Interior“. Allerdings ist dieser Herr angeblich in einem wichtigen Meeting! Wir sollen um ein Uhr nochmal kommen. Als wir um eins wieder da sind lässt er sich wieder entschuldigen… Telefonisch können wir unseren Vermittler leider nicht erreichen. Das Problem in dieser Einrichtung ist, dass man ohne einen Laufzettel, den man an der Pforte nach telefonischer Rücksprache bekommt, nirgendwo hingehen darf. Dafür sorgen die vielen bewaffneten Sicherheitsleute.
Also probieren wir es mal mit der NOC-Abteilung, von der wissen wir zumindest die Zimmernummer. Am Telefon behaupten wir, dass wir unsere beantragtes NOC abholen wollen. So kommen wir schließlich schon mal in das gut bewachte Gebäude. In Zimmer Nummer 608 werden wir begrüßt, unsere Unterlagen sind auch schon zur Hand. Weiter geht es in ein anderes Büro. Wir nehmen wieder auf einem hübschen Sofa Platz und warten bis die vorherige Besprechung zu Ende ist. Dann dürfen wir auf den Stühlen vor dem Schreibtisch Platz nehmen. Der adipöse Herr hinter dem Schreibtisch erklärt uns, dass wenn sie JETZT mit der Beantragung anfangen, es noch mindestens vier Wochen bis zur Ausstellung dauern wird! Dass die Unterlagen schon seit drei Wochen hier in Islamabad zur Bearbeitung liegen interessiert gar nicht. Sie können angeblich auch gar kein NOC ausstellen, wir sollen einen Brief an das zuständige Amt in Peshawar schreiben und sie leiten es nach dort weiter?! Hääääääääääääääääääääääää? Das verstehen wir nicht ganz, die kompletten Unterlagen wurden von Peshawar aus nach Islamabad geschickt, da nur das Innenministerium dieses NOC ausstellen dürfte (haben wir per Fax aus Peshawar mitgeteilt bekommen)!!! Visumverlängerung wäre kein Problem sagt der dicke Mann, da könne er uns helfen wenn es mit den weiteren vier Wochen Wartezeit knapp werden würde. Der gute Mann hat uns gar nicht zugehört und die Problematik verstanden.
In der Zwischenzeit kann Stefan den unseren Vermittler erreichen, dieser wiederum ruft nochmal den wichtigen Herr vom Innenministerium an. Wir können kommen, er wartet angeblich seit Mittag….
Also auf zu diesem wichtigen Herren: Erstmal scheitern wir an den Vorzimmerpolizisten. Wir müssen nochmal an die Pforte und uns einen Genehmigungsschein holen. Wieder zurück werden wir von dem wichtigen Herren freundlich empfangen, wir dürfen unser Anliegen vortragen, Smal talk und er meint, mit dem NOC sollen wir uns keine Sorgen machen, es wird sich eine Möglichkeit finden. Ein Telefonat und wir dürfen nochmal in den sechsten Stock zum NOC-Büro. Auf einmal ist der adipöse Herr super freundlich, hat auch schon ein Schreiben in der Hand mit dem wir fahren könnten. Nur Stefans Name fehlt noch darauf..“wie, ihr wollt zu dritt fahren?“
Ich glaube unsere Anträge mit den Pass-, Visumkopien und der Reiseroute hat sich noch kein Mensch dort angesehen. Auf das neue Zettelchen mit allen Namen darauf warten wir bei Tee und Keksen. So fertig! Jetzt müssten wir nur noch nach Peshawar und uns eine Fahrgenehmigung besorgen! (Peshawar ist an der Grenze zu Afghanistan und nicht gerade der sicherste Ort in diesem Land) Wir sagen dem guten Mann, dass wir sicher nicht persönlich in Peshawar erscheinen werden, so verrückt sind wir dann auch wieder nicht! Damit ist er auch zufrieden. Mit einem Schreiben, dass eigentlich nur bestätigt, dass wir ein NOC beantragt haben und dem Hinweis, wir sollen doch dem wichtigen Mann sagen, das es geklappt hat, verlassen wir den Bürokomplex! (hier haben wir erfahren, wie nützlich „Kontakte“ sein können)
Wahnsinn, da fällt einem nix mehr dazu ein. Mal schauen ob uns dieses Schreiben bei möglichen Kontrollen nützlich sein wird.

Die zwei Tage, die wir auf unsere Chinavisa warten, versuchen wir uns wegen der bevorstehenden Kasachstan und Russlandvisa zu erkundigen. Als wir mit den deutschen Konsulaten und Visaagenturen telefonieren wollten merken wir, dass jetzt dummerweise Karfreitag ist! Hmmm da wird am Ostermontag wohl auch nichts los sein. Wir entscheiden uns, unsere Zweitpässe nicht nach Deutschland zu schicken um dort die Russlandvisa zu beantragen, da sind noch zu viele Fragen offen. Wir wollen es in Kirgisistan probieren. Schade, dass die Leute vom russischen Konsulat in Kirgisistan nicht telefonieren wollen. Das müssen wir dann wohl nach Ostern klären.

Am Karsamstag brechen wir auf, rauf auf den Karakorum Highway! Unterwegs decken wir uns noch mit frischem Obst und Gemüse ein. Als Stefan Erdbeeren kaufen wollte kam ein Mann und hat sich nicht davon abbringen lassen, sie für uns zu bezahlen. Der hat sich so gefreut uns etwas zu schenken, er hätte uns auch gerne zu sich nach Hause eingeladen. So etwas ähnliches ist uns an diesem Tag nochmal passiert! Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, wie wahnsinnig gastfreundlich die Leute hier sind. An diesem Samstag übernachten wir noch vor den Bergen ein Stück neben der Straße. Nachts werden wir von Polizisten geweckt, nachdem wir uns ruhig verhalten gehen die wieder.
Am Ostersonntag treffen wir uns mit Armin, der schon einen Tag früher gestartet ist. Von Shinkiare geht es zusammen nach Besham. Der Straßenzustand ist meist nicht so prickelnd. Wir fahren durch viele Dörfer, es wird Obst, Gemüse und Fleisch in kleinen Bretterbuden an der Straße verkauft. Meist sieht man Männer herumlaufen, die uns freudig zuwinken. Frauen sind fast vom Straßenbild verschwunden. Die wenigen Frauen die wir sehen, sind alle verhüllt. Wir erblicken die ersten hohen schneebedeckten Berge. Um uns herum ist alles grün, Bäume blühen, es wird Getreide angebaut. Mit der sich durch die Wolkendecke kämpfenden Sonne einfach wunderbar.
Vormittags gab es einen kleinen Unfall. Vor einer Linkskurve und einer nahenden engen Brücke hat Stefan die Geschwindigkeit verringert (außerdem gab es was zu guggen, denn über den Fluss ging eine abenteuerliche Seilfähre mit Leuten darin). Jedenfalls hat uns währenddessen ziemlich rasant ein Polizei PickUp überholt und ist zu früh wieder eingeschert. Es hat gekracht! Wir sind gleich links rausgefahren, bei unseren Mog konnten wir nur leichte Kratzer an der Stoßstange vorne finden. Das Polizeiauto sah da nicht so gut aus, es hatte eine große Delle hinten links und das Licht war ab. Es kamen noch zwei weitere Polizeifahrzeuge nach. Also wurde mit sechs Polizisten diskutiert. Sie meinten wir wären schuld, weil wir ja vorne den Schaden hätten und sie hinten! Sie wollten sie 20 000 Rupees (200 Dollar). Naja wir blieben mal entspannt und haben gewartet, wir waren uns ja sicher, das wir unschuldig waren. Nach ca. einer halben Stunde kamen weiter Polizisten mit großer Wumme und Anti-Terror-Uniform, die für diesen Streckenabschnitt zuständig waren. Mit denen wurde der Sachverhalt geklärt. Die sahen das genau richtig, gaben uns Recht und wir durften weiter fahren.
Nachdem wir den breiten, blauen Indus-River überquerten, mussten wir am dortigen Polizei-Check-Point den ersten Polizisten zu unserem Schutz mitnehmen.
In Besham durften wir unseren freundlichen Beschützer wieder abgeben und es uns auf dem Hotelparkplatz des örtlichen PTDC-Hotels gemütlich machen.

Am Ostermontag stand uns dann der „gefährliche“ Abschnitt der Strecke bevor (von Besham nach Chilas). Um nicht in dieser Gegend übernachten zu müssen starten wir schon am frühen morgen.
Um kurz nach sechs Uhr morgens ist unser Polizeischutz schon da. Der junge Polizist fährt bei uns mit. Diesmal aber nicht am Beifahrersitz sonder im „Wohnzimmer“, ich möchte ja auch was sehen von der tollen Landschaft, also muss der Polizist nach hinten. Wir mussten immer wieder kurz anhalten um uns bei den Polizei Checkpoints in ein Buch einzutragen, insgesamt 15 Mal. Jedes mal gab es auch einen neuen Polizisten. Meist haben sich die Polizisten erst auf die Sitzbank gesetzt und wenn es dann richtig zu schaukeln begonnen hat (wegen der tollen Straße) sind sie auf den Boden zum Durchstieg umgezogen. Und da saßen sie halt dann mit ihrer Kalaschnikow. Ein Polizist wurde mit Schmerzmittel versorgt, weil er Zahnweh hatte. Andere wurden kulinarisch verköstigt. Und einer kannte die Strecke nicht, war zum ersten mal da und wusste nicht wo er aussteigen muss. Da wird es nicht langweilig.
Den Polizisten-Beförderungs-Service hatten wir über 200km bis Chilas. Nach einer kurzen Essenspause durften wir von dort alleine weiterfahren. Wir sehen viele hellhäutige Leute mit hellbraunem oder rotem Haar und mit blauen Augen, so gar nicht typisch pakistanisch. Die Afghanen sehen wohl so aus wie „wir“ wurde uns gesagt. Die Straßenbedingungen waren die meiste Zeit üble Schlaglochpiste. Ca. 30 km nach Chilas hat dann die von den Chinesen neu gebaute, einwandfreie Straße begonnen. Ab hier konnten wir endlich Gas geben. Wir fahren immer am gewaltigen Indus-River entlang, die Straße schlängelt sich auf acht bis neunhundert Höhenmetern durch die gigantischen Berge. In den Hängen stehen immer wieder Häuschen aus Naturstein und Lehmdächern, rundherum wird auf kleinen Terrassen Ackerbau betrieben. Wir kommen am Nanga Parbat vorbei, leider können wir diesen Achttausender nicht in seiner vollen Pracht bewundern, da er in Wolken gehüllt ist. Kurz darauf stehen wir an dem Punkt, wo die drei Gebirgsketten Himalaya, Karakoram und Hindukusch zusammentreffen! Wer hätte gedacht, dass wir auf dieser Reise mal den Hindukusch sehen oder durch das Karakorumgebirge fahren werden?! Wir jedenfalls nicht 🙂
Da es schon dämmert und wir noch bis Gilgit kommen wollen, müssen wir schnell weiter. In der Dunkelheit erreichen wir nach 13 bis 14 Stunden Fahrt und ca. 300 zurückgelegten Kilometern Gilgit. Seit langem war ich auch mal wieder am Steuer… und das mit dem Linksverkehr ist gar kein Problem.

Zwei Nächte haben wir in Gilgit verbracht. Ich hab am Dienstag versucht etwas wegen der Visageschichten für Kasachstan und Russland heraus zu finden, aber da kennt sich in Deutschland anscheinend keiner aus. In Kirgisistan (Osh) konnte ich ein russisches Konsulat erreichen, bei dem jemand aufgetrieben wurde, der englisch sprach. Und dort kann man wohl auch mit deutscher Staatsangehörigkeit ein russisches Visum bekommen. Wenn das in Osh geht, sollte das ja in Bischkek auch kein Problem sein. Wir werden sehen, wenn es so weit ist.
Stefan und Armin waren derweil in Gilgit unterwegs, haben bei einem Polospiel zugesehen und Momos gegessen. In Gilgit gibt es viele geschlossene Reiseagenturen und Souveniershops, vor dem 11.09.2001 waren hier wohl richtig viele Touristen. Seit dem immer weniger.

Nach kurzer Pause in Gilgit fahren wir in ein Seitental, nach Skardu. Die Straße dort hin war zwar geteert, aber nur einspurig und mit vereinzelten Ausweichstellen. Das abenteuerliche daran war der Abgrund rechts und dazu die überhängenden Felsen links. Immer mal wieder ist ein Teil der Straße weg gebrochen! Da muss man dann schon aufpassen, nicht zu nahe an den Rand zu kommen. Bei solch einer knappen Aktion hatten wir leichten FELSKONTAKT. Zum Glück nur oberflächliche Verletzungen der Wohnkabine. Immerhin besser als 50 bis 100 Meter den Abhang runter und in den Fluss zu purzeln.
Die Strecke war richtig schön, immer am Fluss entlang in dem anfangs sehr engen Tal. Die kleinen Dörfer sind immer wieder Farbtupfer in dem grauen Gestein. Hier wird bewässert, es gibt viele Bäume die blühen oder schon grüne Blätter haben. Kleine Felder werden gewagt als Terrassen angelegt bevor es steil hinab geht. Die Frauen sind nicht mehr so extrem verschleiert, tragen bunte Kleidung und haben einen großen Schal übers Haar gelegt. Wir sehen sie öfters auf den Feldern. Die Kinder sind in der Schule, bzw. wird im Schulhof unterrichtet. Die Männer sitzen vor ihren kleinen Läden oder hüten die langhaarigen Ziegen. Immer wenn wir einen grünen Tupfer im Berghang sehen ist dort ein Dorf. Manchmal gibt es schmale Hängebrücken, manchmal auch nur einen Seilzug mit Korb, der die Verbindung über den tief fließenden Fluss darstellt. Als wir Skardu erreichen wird das Tal weiter, die Landschaft ist sehr trocken. Wo nicht bewässert wird ist Sand. Das Flussbett besteht aus Sanddünen. Nachmittags zieht Wind auf, was sich schnell zu einem Sandsturm entwickelt. In Skardu selbst gibt es einige Souvenirshops und Hotels auch Läden mit Kletterausrüstung. Die Sachen in den Läden sind aber meist verstaubt und warten auf die paar Bergsteiger, die sich im Sommer blicken lassen.

Hier verbringen wir ein paar Tage. Blauer Himmel und ein paar Wölkchen. Der türkise Fluss schlängelt sich gemächlich. Sanddünden gegenüber, ein paar grüne Bäume im Flussbett. Eine wahnsinnige Berglandschaft um uns herum, schneebedeckte Berggipfel. Sonne. Und Ruhe!
Ok, Ruhe hatten wir nur am ersten Tag, dann kam immer wieder die Dorfjugend (natürlich nur Jungs) vorbei um zu „schauen“, wer hier wohnt. Trotzdem ein toller Platz.
Armin kommt einen Tag später auch nach Skardu und wir reisen ab jetzt zusammen weiter. In einem nahe gelegenem Seitental besichtigen wir das Shigar Fort und die alte, mit Holzschnitzereien verzierte Moschee.
In Khaplu geht die Besichtigung weiter. Wir besuchen den als Museum und Luxushotel ausgebauten ehemaligen Khaplu Palast. Auf dem Parkplatz dürfen wir die nächsten Tage mit Toilette und heißer Dusche stehen, nebenan ein Poloplatz. Das Essen dort ist richtig lecker (was bei den letzten Restaurants nicht der Fall war). Wir machen eine kleine Wanderung auf einen nahegelegen „Hügel“, die Aussicht von den ca. 3000 Meter hohen Erhebung ist toll. Auf das Flussbett, den türkisen Fluss, die grünen Getreideterassen, das Dorf, die rosa blühenden Aprikosenbäume, hohe Bergmassive, Gletscher, Sonne, blauer Himmel! Einfach Perfekt!
Wir fahren auch ein Stück ins Hushetal um eine alte Buddhagravur zu suchen.
Bevor wir über eine enge Holzbrücke links abbiegen steht ein großes Schild, dass die Weiterfahrt (geradeaus) für Ausländer verbietet.
Wir sind nahe an der indischen Grenze bzw. der „Line of control“. Hier sind die Grenzen zwischen China, Indien und Pakistan ja nicht so ganz klar. Als Ausländer dürfen wir den Bezirk Kaschmir von dieser Seite garnicht bereisen.

Am ersten Mai waren wir wieder in Gilgit, wir wollen etwas am Rahmen der Wohnkabine und dem Dachträger schweißen lassen. Vormittags brechen wir auf um eine geeignete Werkstatt zu finden. Der erste Schweißer hat keinen Generator und Strom gibt es vermutlich erst heute Abend um 21 Uhr… Der Zweite hatte zwar einen Generator, dieser war aber kaputt. Beim Dritten war die Hofeinfahrt zu eng und beim Vierten wurde uns geholfen.
Das mit dem Strom in Pakistan ist so eine Sache. Es ist ganz normal, dass es immer wieder Stromabschaltungen gibt. Bzw. ist bekannt, dass man nur seeeehr unregelmäßig Strom hat. (Von Ort zu Ort unterschiedlich, manchmal auch nur wenige Stunden in der Nacht). Deshalb haben die meisten Geschäfte und Hotels einen/mehrere eigene Generatoren, die dann angeworfen werden.

Am nächsten Morgen fahren weiter ins Hunza Tal. Auf 1600 Hm, sind schon kleine hellrote Kirschen an den Bäumen und es ist schön warm. Der Karakorum Highway (kurz KKH) war im Mittelalter auch ein Teil der Seidenstraße und damals wie heute eine bedeutende Handelsroute. Anscheinend ist die Verbindung von China über Islamabad nach Karachi auch für die nördlichen Nachbarn von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Denn überall wird von chinesischen Baufirmen gebaggert und gesprengt, Straßen verbreitert und Brücken gebaut. Heute fährt es sich doch ganz gut auf breit ausgebauten Asphaltstraßen. Das einzig gefährliche ist das bröckelige Gestein, dass sich oft löst und auf die Straße fällt.

In diesem grauen, steinigen Tal wirken die vielen Kirschbäume so unwirklich grün! Wir fahren zum Attabad Lake um uns die Ablegestelle anzuschauen und uns nach Booten für die abenteuerliche Überfahrt zu erkundigen.

Durch einen großen Erdrutsch im Januar 2010, der auch einigen Leute das Leben gekostet hat, staut sich der Hunza Fluss auf. In dem entstandenen See, sind die gute Straße und mehrere Dörfer verschwunden.
2012 hatte der See sein größtes Ausmaß von ca. 30 km Länge und 50 Meter Tiefe erreicht.
Die Chinesen haben versucht durch Sprengungen am Damm den Wasserspiegel kontrolliert zu senken. Mittlerweile misst er noch ca. 10 km Länge und ist ca. 30 Meter tief. 2012 haben die Bautrupps damit begonnen, Tunnels oberhalb des Sees zu bauen. Der Weg den sie in die Felswand gegraben haben sieht abenteuerlich aus, es sind immer wieder Sprengungen zu hören. Angeblich soll das Projekt Mitte 2015 beendet sein!

Der im Bau befindliche Tunnel hilft uns nix, wir jedenfalls müssen noch über den See. Die Verladestelle sieht nicht sehr vertrauenserweckend aus, die Holzboote auch nicht. Angeblich gibt es Stahlplattformen vom Militär und eine von den Chinesen. Die sind aber super teuer und schwer zu organisieren. Wir bräuchten eine Genehmigung vom Militär, die wir vielleicht in Gilgit bekommen könnten.
Die sofort vorhandene Alternative sind zwei zusammen gebundene Holzboote! Wir werden gleich von mehreren Bootsmännern angesprochen. Jeder hat die besseren Boote und es wird um den Preis gefeilscht. Wir entscheiden uns übermorgen zu verschiffen und fahren die 30km zurück nach Karimabad. Der Tourismusort im Norden Pakistans! Auf den engen Gassen zum Altit-Fort reihen sich Tourishops, Antik-Shops und Edelsteinhändler aneinander. Es werden Hunza-Rubin, Smaragde und verschiedenste Bergkristalle verkauft. Alte Bronzefiguren und Alltagsgegenstände. Ob die alle echt bzw. antik sind??? Wir können es leider nicht beurteilen und kaufen lieber Trockenobst. Da schmeckt man gleich die Qualität! Für getrocknete Aprikosen ist das Hunzatal bekannt.

Zusammen mit Armin brechen wir früh auf, da wir vormittags über den See wollen. Ab Mittag ist es meist windig und Wellen kommen auf. Das wollen wir bei der ohnehin schon heiklen Verschiffung vermeiden. Als wir an der Verladestelle ankommen ist hier unter den LKW Fahrern Tee trinken und Karten gespielt angesagt. Durch die Schneeschmelze ist der Wasserpegel leicht angestiegen und die gegenüberliegende Verladestelle unter Wasser. „DIE Chinesen arbeiten mit Baggern daran, morgen geht es bestimmt wieder…“. OK, dann Morgen. Wir entschließen uns in das nahegelegene Hoper-Valley zu fahren. Die schmale Straße führt uns immer weiter in das Tal und schlängelt sich in engen Kehren den Berg hinauf. Durch kleine Dörfer und Obstbaumplantagen führt uns der Weg bis zur Ortschaft Hoper. Wo unten im Tal die Aprikosenbäume bereits erste Blätter hatten, ist die Blühte hier in vollem Gange. Wenn das alles mal saftig-süße Aprikosen werden,… mmmmh lecker! Doch das können wir nicht abwarten. Vielleicht ein anderes Mal. Nach einer kleinen Stärkung wandern wir zum Aussichtspunkt über dem Hoper-Gletscher! Er erstreckt sich über 30 km. Und bewegt sich mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit von 3-4 cm pro Woche! Auf einmal hören wir ein lautes und dumpfes Grollen! Wieder eine Sprengungen? Nein, der Gletscher kalbt! Am Rand brechen gleich mehrere, haushohe (Unimoghaus) Eisbrocken ab. Schon gewaltig! Ein steiler Pfad führt hinab zum Gletscher und wir laufen mit einem Mann aus dem Ort über das Geröllfeld. Völlig unerwartet rutscht der Stefan aus. Unter uns ist Gletschereis! Juhuu! Ein paar Meter weiter rutschen wir über das blanke Eis, bestimmt 7-10´000 Jahre alt! Schmeckt übrigens ganz normal 🙂 Das Hoper-Valley mit der Aprikosenblühte und dem imposanten Gletscher war für uns bis jetzt die beeindruckendste Region im Norden des Landes!

 

 

 

 

 

Wir starten wieder früh morgens um an die Verladestelle am See zu kommen. Doch immer noch entspannte Campingstimmung unter den LKW-Fahrern. Armin und Stefan unterhalten sich wieder mit den Truckern und den Verschiffern. Stahlplattform oder die richtigen, pakistanischen Holzboote, was ist besser? Wer einmal bei YouTube „Attabadlake Truck Accident” eingibt sieht wie ein LKW innerhalb von Sekunden im See versinkt. Ohohhh! Genau DAS wollen wir eigentlich nicht sehen. Doch Stolz versichern uns die Locals: „…die Stahlplattform ist ganz schlecht! Zwei Holzboote aneinander binden ist dafür total sicher!… bis jetzt ist noch nix passiert…“ Ach du lieber Himmel, der Mogmog ist unser Haus, unser Lebensraum, unser ganzes Hab und Gut befindet sich darin! Bei der Planung wussten wir schon das dieses Hindernis ein Knackpunkt des KKH´s werden wird. Doch jetzt wo wir vor den Booten stehen wissen wir nicht ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben. Doch nach Mumbai und ein „richtiges“ Containerschiff? Nein, wir wollen da drüber! Wir müssen noch zwei weitere Tage warten bis die gegenüberliegende Verladestelle fertig gebaggert ist und dann kommt der Tag an dem wir verschiffen.

Die Kehren zur Verladestelle sind uns mittlerweile bekannt, so oft wie wir hier schon waren. Doch heute ist Volksfeststimmung! LKW´s werden be- und entladen. Die Waren werden von Trägern quer über die angelegten Boote getragen. Die Boote werden voll gestapelt bis die Bordwand nur wenige cm über die Wasseroberfläche ragt. Alles ein großes Durcheinander auf und am Wasser. Mitten zwischen all den bepackten Booten werden gerade zwei Kähne aneinander gebunden. Zwei Arbeiter „vermessen“ mit einer Schnur unsere Spurweite um die Holzbalken auf dem Boot richtig zu positionieren. Man hat uns also doch erwartet. Mr. Akbat, mit dem wir vorher nur telefonisch in Kontakt standen, ist der Besitzer zweier Boote und jetzt persönlich vor Ort. Am Telefon war die Rede von großen Booten. Doch das hier sind zwei normale. Na toll. Doch das Fachpersonal ist überzeugt das die Boote tragen. Wir sind skeptisch :-/ Der Katamaran wird an den vielen wartenden Booten vorbeigeschoben und am Ufer vertäut. Bzw. an zwei LKW´s die gerade rumstehen. Stefan sieht sich das Meisterwerk ein wenig skeptisch an. Ob das hält? Der Mog würde mit einer Achse außer-mittig auf einem Boot, die andere Achse genau zwischen den Booten stehen. Es wird diskutiert ob vor- oder rückwärts aufgeladen werden soll. Zusammen mit Armin organisiert Stefan ein paar weitere Stricke zwischen den Booten und zusätzliche Bretter zum verzurren. OK, jetzt wird es heiß! Rückwärts scheint vom rangieren auf den Balken besser zu sein. Der Spielraum ist nur wenige cm und Stefan lenkt unter den Kommentaren aller Herumstehenden unseren Mog auf die Holzbalken. Alle schreien auf einmal… Stefan fährt schnell wieder vorwärts! Irgendwas hat geknackt und die Geröllauflagen unter den Balken haben nachgegeben. Es wird nochmal nachgearbeitet. Es braucht ein paar Anläufe bis der Mog gerade steht. Stefan ruft mir zu das er überhaupt nichts im Rückspiegel sehen kann, weder Balken, noch Boot, sondern nur Wasser. Welch ein ungutes Gefühl! Bremsen darf er nicht, anfahren nur seeehr langsam. Die beiden verzurrten Boote knarzen mit jedem Zentimeter mehr, die Stefan rückwärts fährt. Der Mog steht nun vollständig auf dem ersten Boot. Das zweite Boot wirkt eigentlich nur als Stabilisator für das Erste. Doch irgendwie ziemlich schief? Es wird noch ein wenig rangiert und der Holzkahn der unseren Mog trägt liegt halbwegs gerade im Wasser. Der Hilfskahn hat deutlich Schlagseite. Doch so ist das pakistanische Patent gedacht! Es werden noch Steine vor und hinter die Reifen gelegt und wir stechen in See! Oh man, jetzt darf bloß kein Seil reißen, kein Brett brechen, keine Wellen und kein Wind kommen!

Die Boote sind zweimotorig. Sprich zwei alte Dieselmotoren die in ihrem vorherigen Leben einen Traktor oder Stromgenerator betrieben haben, treiben jetzt über eine lange Schiffswelle mit Propeller den Holzkahn an. Bei unserem Katamaran werden nur die äußeren Motoren angekurbelt. Unter lautem knattern und tiefschwarzen Rußwolken gleiten wir durch das unwirklich türkis blaue Wasser. An der Ablegestelle weiterhin reges Treiben und wir können beobachten wie Armin innerhalb weniger Minuten mit seinem Landcruiser verladen hat und uns unter Vollgas und ebenso lautem Geknatter einholt.

Daraufhin geben unsere beiden Kapitäne auch Gas! Ojee, es knarzt schon wieder, bei jeder kleinen Welle! Die Landschaft um uns herum es echt beeindruckend, aber von „genießen“ ist bei Stefan und mir nicht die Rede. Die Bootsfahrt scheint endlos. Am Uferrand tauchen die ersten Bäume und Häuser auf, bzw. was davon übrig geblieben ist. Hier sieht man beeindruckend wie hoch der Wasserspiegel schon einmal war! Die Dörfer verlassen, und mitten drin bunte Container-Siedlungen der chinesischen Bauarbeiten für den Tunnel. Nach 2/3 der Strecke macht der See eine Linkskurve und am Horizont eine bunte Ansammlung von Booten im Wasser. Es ist nicht mehr weit. Es kommt Rückenwind auf und der Mog wirkt wie ein Segel. Die Motoren sind bereits gedrosselt doch wir haben noch volle Fahrt drauf! Das Gewusel ist ähnlich chaotisch und kein Anlegeplatz frei. Die Motoren werden gestoppt, doch wir nicht langsamer. Der Wind schiebt kräftig an! Unsere Schiffsmatrosen brüllen ans Ufer und irgendwie wird ein Anlandeplatz frei gemacht. Mit einer Bambuslatte wird versucht unser Katermaran-Geschoss zu bremsen, und die anderen Boote kommen immer näher! Was könnte bei einem kleinen Aufprall passieren? Der Mog von den Brettern rutschen? Der Kahn aus dem Gleichgewicht kommen???

Puuuuh, geschafft. Die Matrosen haben uns doch irgendwie sanft abgebremst. Zum Herunterfahren wird unsere Arche Noah wieder an zwei LKW´s angebunden und eine improvisierte Rampe mit Steinen gebaut. Schnell hinüber zum rettenden Ufer! Gott sei Dank ist alles gut gegangen!! Ohje, was wäre, „WENN“ es PLATSCH gemacht hätte? Wir möchten gar nicht mehr daran denken…. (Ach ja, ich hatte während der ganzen Zeit einen Rucksack mit den wichtigsten und persönlichsten Gegenständen wasserdicht verpackt bei mir!) Auch Armin ist gut angekommen und wir sind alle heil froh den abenteuerlichsten Teil des Karakorum-Highway hinter uns zu haben.

Auf dem schmalen Zufahrtsweg zur Verladestelle stauen sich PKW´s, Minibusse und Trucks. Hier kommen wir erst einmal nicht weg. Egal, wir haben den See überquert! Nach einer Stunde kommt Bewegung in die Sache, nur noch ein LKW muss rückwärts fahren. Doch was ist jetzt los? Ein Vorderrad bockiert, nix geht!!! Die Chance ist vorbei, es kommen die nächsten Fahrzeuge zum Be- und Entladen. Das Vorderrad des blauen LKW´s muss erst repariert werden. Nach einer weiteren Stunde warten ist die Gasse frei und wir folgen Armin auf den letzten 80km bis zum pakistanischen Grenzposten in Sost. Die Straße ist hier in einem sehr üblen Zustand, überall Baustelle. Nächstes Jahr wird es hier sicherlich auch zweispurig vorangehen. Am Straßenrand sitzen mehrere Bauarbeiter die uns freundlich winken und zurufen „Road is blocked!“ Hä? Was wollen die? Oh neeeeeeein! Und das gerade mal 10km nach dem See. Die Straße ist auf einer Länge von 20 Metern weggespült und ein tiefer Bach fließt dort wo sonst Fahrzeuge rollen! „…das ist erst vor einer halben Stunde passiert…“ sagen uns die Arbeiter. SCH****! Eine halbe Stunde zu spät, das war der blaue LKW mit dem blockierenden Vorderrad! Das kann doch wohl nicht war sein! Es sieht nicht so aus als würden wir in den nächsten ein bis zwei Tagen da drüber kommen. Bis zu unsere China-Einreise haben wir zum Glück noch vier Tage. OK, das könnte klappen. Während wir den neu entstandenen Wildbach beobachten und über die Wassermassen staunen ist unter den Arbeitern auf einmal Geschrei zu hören und sie rennen aus dem Gefahrenbereich. Es kommen immer mehr braune Wassermassen den Berg hinab. Etwa 200 Meter oberhalb strömt das Wasser des Ghulkin Gletschers über den Hang hinab. „…an der Stelle ist noch nie so viel Wasser gekommen…“ So die Locals. Tja, auch dieser Gletscher ist in ständiger Bewegung. So beschließen wir zurück in die letzte Ortschaft nach Gulmit zu fahren. Solange kein Bagger vor Ort ist brauchen wir gar nicht an eine Weiterfahrt denken

Die nächsten Tage schauen wir immer wieder zu der Stelle, mittlerweile ist die weggespülte Straße meterhoch mit Geröll verschüttet. Es heißt morgen wird gebaggert, morgen, morgen, morgen. Und jeden Tag sieht das Bild mehr oder weniger gleich aus.
Nix geht. Und die nächsten Tage werden wohl genauso weiter gehen.
Von den chinesischen Bauarbeitern haben wir die Info, dass eine kleine Brücke gebaut werden soll. Dies wird vier bis fünf Tage dauern… wann damit angefangen wird wissen wir aber nicht.

Wir informieren unseren chinesischen Guide, der ja am 12ten Mai am Grenzpass auf uns warten sollte. Die Genehmigungen, die einen Monat vorher beantragt wurden sind nur bis zum 15ten Mai gültig. Wenn wir bis zu diesem Termin nicht einreisen können, müssen wir entweder wieder einen Monat warten oder wir drehen um und probieren es doch noch einmal über Quetta und den Iran. Von einem anderen reisenden Paar wissen wir, dass sie vor ca. zwei Wochen durch gekommen sind.
Allerdings wird uns auch der Weg zurück versperrt. Durch den steigenden Wasserpegel im See ist die Verladestelle und der Anfahrtsweg erneut unter Wasser. Was nun?! Wir sind eingesperrt!

Die Gegend, in der wir fest stecken ist wunderschön und die Leute super nett, aber unter diesen Bedingungen kann man das nicht wirklich genießen. Wir stehen vor dem „Continental Hotel“ in Gulmit. Und hier bekocht uns die Mutter des Besitzers mit wirklich lokalem Essen! Verschiedene „Käsespeisen“ (sauerer Frischkäse), Chiapatti-Variationen und getrocknete Aprikosen. Als Suppe oder Saft! Sehr lecker und interessant.

Mittlerweile sind wir ein Jahr unterwegs und wollten eigentlich schon wieder zurück in Deutschland sein! Wird es noch viel länger dauern?

Am 11ten Mai bekommen wir, nach einem gemütlichen Früchstück die Nachricht, dass ein Landcruiser durchgekommen ist! Da heute bewölktes und kälteres Wetter herrscht kommt weniger Wasser den Berg herunter. Ein gutes Zeichen?
Schnell packen wir alles zusammen und fahren die drei Kilometer staubige Piste zu der blockierten Stelle. Und tatsächlich, durch´s Bachbett fährt gerade ein PickUp!
Nur die steile Zufahrt zum Bachbett sieht gefährlich aus. Die „kleinen“ Landcruiser kommen gerade so um die Kurve. Armin und Stefan sehen sich das Kiesbett und die mögliche Furt an. Nach zehn Minuten kommen sie durch das eiskalte Wasser wieder zurück. „Wenn wir mal unten sind sollte es kein Problem sein“ meint Stefan. Die Auffahrt auf der gegenüberliegenden Seite sei wohl machbar und dass Wasser nicht zu tief. Nur die Zufahrt ist heikel.

Wir entscheiden uns die Möglichkeit wahr zu nehmen… wer weiß wie es die nächsten Tage hier aussieht.
Armin fährt mit seinem Landcruiser vor und wartet nach der steilen Abfahrt.
Stefan muss den Unimog bis zur ersten Kehre rückwärts fahren, um dann vorwärts die enge sandig-steinige Rampe herunter zu kommen. Doch vorher versucht ein kleiner Bulldog mit Anhänger die Rampe hoch zu kommen und gräbt bei seinen unzähligen Versuchen tiefe Löcher in den ohnehin schon heiklen Weg. Mit 15 Mann die vorne an einem Seil ziehen und nochmal 10 die hinten schieben schafft er es tatsächlich nach oben. Dann werden die Löcher mit Schaufel und Händen wieder gefüllt. Wir sind dran…
Am liebsten würde ich die Augen schließen und gar nicht hin schauen. Es ist steil, Schräglage, hoffentlich halten die Steine links das Gewicht! OK, der Mog ist unten. Allerdings ist eine Sanddüne im Weg, Stefan muss rangieren. Vorne Sanddüne, hinten riesige Steine. Bei der Aktion kippt der Unimog, das rechte hintere Rad hebt kurz ab! Oh Sch****. Eine Schrecksekunde, in dem mein Herz kurz stehen bleibt….
Glücklicherweise schwingt die Wohnkabine wieder zurück und alle Räder haben Bodenkontakt! Puh! Das ist glücklicherweise gut gegangen.

Stefan ruft mir zu ich solle einsteigen, den schwierigen Teil haben wir hinter uns.
Habe ich schon mal erwähnt, dass ich Wasserdurchfahrten schrecklich finde?!
Armin fährt vor, wir hinterher. Die „Furt“ ist teilweise mit aufgestellten Stecken markiert und man kann die vorherigen Fahrspuren sehen.
Auf einmal rumpelt es und der Motor wird abgewürgt, wir stecken mit der Vorderachse tief im Wasser. Also Motor an und weiter, Allrad und Sperren sind bereits drinnen. Weit kamen wir leider nicht, drei Meter weiter stecken wir fest! Bombenfest! Jeder Versuch weiter zu fahren gräbt uns nur tiefer in das Kiesbett des Gletscherflusses. Und jetzt? keine Ahnung!
Mit unseren Schaufeln kommen wir hier auch nicht weiter. Wenn 7,5 Tonnen stecken, dann stecken sie! Die Dieseltanks liegen am Boden auf, die Achsen sind versunken und die Reifen schauen noch 15 cm raus. Links sieht es etwas besser aus, was daran liegt, dass wir Schräglage haben.

Währenddessen fährt sich neben uns noch ein weißer Landcruiser fest.
Was nun? Armin organisiert einen netten Pakistani, der uns helfen will. Während Armin sein Fahrzeug auf die sichere andere Uferseite bringt, steige ich kurzentschlossen zu Nazir ins Auto. Ich muss weg hier, ich muss was machen, ich kann nicht zusehen wie unser Mog absäuft. Und so sitze ich ohne Handy, ohne Geld bei zwei Pakistanern im Auto auf der Suche nach Hilfe. Sie wollen zu dem Stützpunkt der chinesischen Baufirma fahren. Sie meinen aber, dass die Chinesen uns nicht helfen werden, außerdem ist heute Sonntag, da arbeiten die nicht. Ob ich chinesisch spreche? NEIN! Oh, dann haben wir ein Problem meinen sie. Naja erst einmal fährt Nazir mit seinem Landcruiser raus aus dem Bachbett, dann geht es quälend langsam den staubigen Weg entlang zu den Zelten und Containern der chinesischen Baufirma. Dort angekommen soll ich mich ausweisen… der Ausweis ist im Unimog, Nazir der Fahrer hilft aus. Nach ein paar Minuten warten werden wir vor die Bürotüre des Chefs gebracht, hier warten wir noch auf einen Dolmetscher. Dann rein zum Chef, unter Tränen hab ich versucht zu erklären was los ist. Die netten pakistanischen Männer haben es dem Dometscher in Urdu erzählt und der dann in chinesisch dem Chef. Also englisch->urdu->chinesisch… Es ging hin und her, es kamen andere Chinesen. Irgendwann hat der Chef gemeint: „No sorry!“ Ich hab Nazir gefragt, was besprochen wurde? Erst muss sich die Polizei das Geschehen vor Ort anschauen, dann kann evtl. nochmal neu entschieden werden.
Erst in dem Moment kam mir die Idee Fotos zu zeigen, die ich kurz vor Abfahrt gemacht hab. Also nochmal zurück ins Büro. Mittlerweile haben sich meine Tränenkanäle mehr als geöffnet. Ich darf mich setzten und die Fotos werden von einigen Leuten angeschaut, ich verstehe kein Wort. Mir schwirren Gedanken durch den Kopf, was ist wenn der Mog umfällt, ertrinkt? Hoffentlich steht er noch. Falls er doch umfällt, hoffentlich weiß Stefan wo die wichtigsten Sachen liegen und holt sie noch raus. Warum sind wir überhaupt rein gefahren, hätten wir noch warten sollen? Was haben wir zu verlieren? Hmm naja im Endeffekt viel Geld. Aber das Wichtigste könnten wir ja raus holen.
Andererseits, wir sind gesund, es wurde niemand verletzt… eigentlich ist ja nix passiert.
Nazir sagt mir immer wieder, dass es ist kein Grund zu Sorge gibt, das Fahrzeug bekommen wir schon raus…
So sitze ich heulend auf einem roten Plastikstuhl, in der Hoffnung, die Tränen könnten die ganzen Männer hier umstimmen.
Nach kurzer Zeit tut sich was, einige Männer machen sich auf und gehen. Nazir sagt mir, ich solle mich bei dem Chef bedanken, Sie werden uns helfen! Überglücklich geh ich zum ihm und bedanke mich, biete ihm auch Geld an. Das will er aber nicht, er sagt nur „no money“. Mittlerweile ist schon eine Stunde vergangen. Wie ergeht es Stefan beim Mog?
Wir warten im Hof, irgendwas muss wohl noch mit der Polizei abgeklärt werden. Dann kommen ca. 10 Chinesen mit Helm und Fototasche bewaffnet und es geht zurück zum Ort des Geschehens.
Unterwegs wird dem Raupenbagger angewiesen seine Arbeit einzustellen und mit zu kommen.
Es wird abgeklärt, dass sie für einen eventuell entstehende Schaden nicht aufkommen werden und dass sie nur ein Dankesschreiben für ihre Hilfe haben möchten…. alles kein Problem. Sie scheinen sehr zuversichtlich.
Als wir ankommen steht der Unimog zum Glück noch. Ich bahne mir einen Weg durch das steigende eiskalte Wasser zu Stefan. Ein Mann hilft mir durch die tieferen Stellen. Es ist unangenehm windig, Sand weht durch die Luft, die Füße sind nass und starr vor Kälte.
Während ich weg war, haben Stefan, Armin und ein paar andere Männer Dämme gebaut um das herunter strömende Wasser umzuleiten. Was eine super Idee war. Zwischenzeitlich ist das Kiesbett um den Unimog herum relativ trocken. Das Kennzeichen und der Unterfahrschutz hinten sind nicht mehr unter Wasser.
In einem kleinen, im vornherein schon zum Scheitern verurteilten Rettungsversuch, wurde mit einem Traktor sowohl am Unimog, als auch am versunkenen Landcruiser gezogen. Natürlich vergebens. Der Landcruiser hat sich keinen Millimeter bewegt. Die Seilwinde des Unimogs hat den Traktor nach hinten gezogen. Aber irgendwas musste Stefan ja in dieser Situation unternehmen.
Die Sonne kämpft sich zwischen den Wolken hindurch. Innerhalb von Minuten strömt immer mehr braunes Wasser über den ganzen Hang. Die Dämme können die Massen nicht mehr halten. Der Wasserpegel steigt um 20cm, das Kennzeichen verschwindet wieder vollkommen! Die Zeit wird knapp! Ein riesiger Bulldozer fährt heran, der die Zufahrt für den Bagger schiebt.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, der rettende Raupenbagger! Wie eine Fata Morgana ist er im Sandsturm aufgetaucht. Langsam und mit lautem Geknatter der Ketten kam er vor gefahren, oben drauf mehrere Chinesen. Mit Helm und Foto. Ein dickes, langes Stahlseil wurde an der Schaufel und der vorderen Abschleppöse angebracht. Der Bagger setzt zurück bis sich das Stahlseil spannt. Stefan gibt im ersten Gang Gas, alle vier Räder drehen sich. Doch diese minimale Unterstützung braucht der Monsterbagger so wie es scheint nicht. Unser Mogmog bewegt sich erst als der Baggerfahrer sanft den Greifarm bewegt. Der Unimog erhebt sich aus dem selbst geschaufelten Grab bis die Hinterachse im Loch der Vorderachse erneut versinkt. Der Bagger setzt noch einmal nach und … und tatsächlich ist unser rollendes Haus draußen!!!! Gott sei Dank.!! Schnell das Stahlseil aushängen und auf das trockene Kiesbett fahren. SAVE! Stefan rennt zurück zum pakistanischen Baggerfahrer und bedankt sich überglücklich!

Der kleine Landcruiser wird auch noch raus gezogen, ein Kinderspiel. Beim Rückweg „fällt“ der Bagger auch noch in die ausgespülte Rinne. Die linke Kette versinkt im losen Sand. Blitzschnell dreht der Bagger sein Häuschen und drückt sich mit der Schaufel wieder aus der Schräglage und rattert spielend über das Geröllfeld.

WOW, wir sind heilfroh und so glücklich!!!! Vielen Dank nochmal an alle die uns geholfen haben!

Überglücklich bedanken wir uns bei allen Beteiligten und winken dem abziehenden Bagger hinterher. Das Wetter ist mittlerweile grausam, stürmig. Der Sand schmirgelt im Gesicht und brennt in den Augen, die Füße sind taub vor Kälte.

Ein paar Meter weiter ging es auf einwandfreier geteerter Straße weiter. Fahren, fahren, fahren, nicht dass noch etwas dazwischen kommt. Ohne Stopp vorbei am imposanten Passu-Gletscher bis in den Grenzort Sost.

Stefan liegt unterm Fahrzeug, entfernt Sand, Steine und checkt die Mechanik sowie die Öle, alles gut. Da sind wir wohl mit dem Schrecken davon gekommen. Wir machen zur Feier des Tages unsere letzte Flasche Wein auf. Letzter, deutscher Bestand, seit einem Jahr im Unimog durchgeschüttelt 🙂

Im Nachhinein sind wir wirklich froh, dass wir heil aus diesem ganzen Schlamassel raus gekommen sind. Nun können wir rechtzeitig nach China einreisen. Wer weiß wie lange es sich sonst noch hingezogen hätte! Nachmittags kam ja wieder deutlich mehr Wasser… Bis die eine Brücke hätten bauen können… Das alles wäre nicht absehbar gewesen.

Pünktlich am 12. Mai reisen wir aus. In Sost bekommen wir unsere Stempel in das Carnet und den Reisepass. Kurzer Blick in die Wohnkabine und wir dürfen fahren.
Unsere letzten Rupees wollen wir in Diesel investieren… nur leider gibt es hier keinen mehr… „road is blocked“und somit kommt kein Nachschub an. Dann hoffen wir mal, dass wir mit dem Rest noch die 200 km in die chinesische Grenzstadt kommen.
Die letzten 80 Km in Pakistan geht es durch ein enges und „bröckeliges“ Tal mit steilen Felswänden immer bergauf. Auf der Straße liegt viel Geröll und immer wieder große Steine. Mit Besen und Schaufel werden die kleineren Steine entfernt, mit Bulldozern die Größeren.
Je höher wir kommen, desto kälter wird es. Erst graupelt es, dann geht es in Schnee über. Auf 4719 Metern ist alles weiß. Es erscheint das impossante und markanteTor der „Volksrepublick China“. Hier verlassen wir nach einer sehr schönen Zeit Pakistan.